DDr. Ella Lingens-Reiner

Ella Lingens wird am 18. November 1908 in Wien geboren. Nach ihrer Reifeprüfung studiert sie Juristik und Medizin und entwickelt sich zu einer sehr politisch denkenden Frau, die auch bereit ist, sich für ihre politischen und humanitäre Ideale einzusetzen.

Widerstand. Der sog. Anschluss fegt 1938 ein Österreich von der Landkarte, das sich schon fünf Jahre zuvor von der Demokratie verabschiedet hatte. Ella Lingens steht nach dem deutschen Einmarsch vor der Wahl, auszuwandern oder in Österreich zu bleiben. Sie fragt sich, ob es ein Bleiben gäbe, ohne mitschuldig zu werden. Wer soll die Macht in Zukunft haben? "Wollen wir sie wirklich denen überlassen?", fragt sie sich und ihren Ehemann. Die Antwort darauf: "Wir bleiben hier aber unter einer Bedingung: Wir werden keinem, der von dem Regime verfolgt wird und uns bittet, ihm zu helfen, je unsere Hilfe verweigern." Während des Novemberpogroms, der sog. Reichskristallnacht, gewähren Ella Lingens und ihr Ehemann Kurt in ihrer Wohnung zehn jüdischen Mitbürgern Unterschlupf. In den folgenden Jahren helfen sie weiteren Juden, nach Ungarn zu fliehen, nehmen „U-Boote“ bei sich auf und unterstützen die Eltern ausgewanderter Freunde mit Lebensmitteln.

KZ-Haft. Am 13. Oktober 1942 wird Ella Lingens wegen finanzieller Hilfe an Mitglieder der polnischen Widerstandsbewegung und der Beschaffung gefälschter Ausweise verhaftet, vier Monate im Gestapohauptquartier auf dem Wiener Morzinplatz interniert und danach ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Obwohl sie dort als Häftlingsärztin eine privilegierte Stellung genießt, setzt sie sich weiter für ihre Mithäftlinge ein und versucht, ihnen zu helfen, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Doch auch für Ella Lingens ist Auschwitz die „Hölle“. Im April 1943 erkrankt sie an Flecktyphus und überlebt nur knapp.

Nach der Befreiung muss sich Ella Lingens in ihrem neuen Leben zurechtfinden. Wie viele Überlebende des Holocausts plagen auch sie Schuldgefühle: "Lebe ich, weil die anderen an meiner Stelle gestorben sind?" fragt sie sich wieder und wieder. Im Gegensatz zu vielen anderen KZ-Häftlingen beginnt sie aber schon 1947, ihre Erinnerungen aufzuschreiben und das in Auschwitz erlebte zu analysieren.

Späte Ehrung. In den Jahren nach der Befreiung, als die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs totgeschwiegen wird, lässt sich Ella Lingens jedoch nicht davon abhalten, an die Verbrechen der Vergangenheit zu erinnern. Sie geht trotz der damit verbundenen psychischen Belastung als Zeitzeugin an Schulen und zu Lehrerseminaren, um die nachfolgende Generation über die dunkle Vergangenheit von Faschismus, Krieg und Terrorherrschaft zu informieren. 1980 zeichnet die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Ella Lingens für ihr mutiges Verhalten in den Jahren 1938 bis 1945 mit der Ehrenmedaille „Gerechte der Völker“ aus. Obwohl im Ausland hoch verehrt und gewürdigt, bleibt Ella Lingens in Österreich großteils unbekannt.

Ella Lingens-Gymnasium. Im Jahr 2002, wenige Monate vor dem Tod von Ella Lingens eröffnet am Nordrand von Wien, im 21. Bezirk ein neues Gymnasium seine Pforten. Schon früh beginnen die Lehrerinnen und Lehrer nach einem Schulnamen zu suchen, der für diese junge Schule Identität und Programm werden soll. Vier Jahre später, im Juni 2006 kann der Öffentlichkeit durch eine aus Direktorin, Lehrer-, Schüler-, Eltern- und Bezirksvertretung bestehende Jury einstimmig Ella Lingens als neue Namensgeberin vorgestellt werden.

Ella Lingens ist uns als hoch gebildete und kritisch denkende Frau mit großer Zivilcourage Vorbild und Identifikationsfigur.

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