MEINUNGSREDE: Schlafforschung – Schule fängt zu früh an
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir alle kennen diesen täglichen Kampf: Pünktlich um 22 Uhr zwingen uns die Eltern ins Bett, in dem wir dann hellwach liegen, schließlich zum Handy greifen und uns bis Mitternacht oder noch später, damit die Zeit vertreiben. Am nächsten Morgen geht das Spiel dann umgekehrt weiter: Wenn wir endlich im Tiefschlaf angekommen sind, läutet um 6:30 Uhr der Wecker und die Eltern versuchen verzweifelt, uns pünktlich in die Schule zu bringen, oder im Worst-Case-Scenario, „entfällt“ auch mal die erste Stunde.
Doch wir sind keine faulen und verwöhnten Teenager, die sich nicht um einen gesunden Schlafrhythmus kümmern und wir sind auch keine Rebellen, die sich gegen die Schlafenszeiten der Eltern auflehnen. Es ist schlicht und einfach eine biologische Tatsache, dass wir Jugendliche einen anderen Schlafrhythmus haben als Kinder oder Erwachsene.
Dabei bestätigt die Schlafforschung schon seit vielen Jahren, was wir Schülerinnen und Schüler schon immer wussten: Die Schule beginnt einfach viel zu früh!
Schon im vergangenen Jahrtausend, 1998, gab es eine erste Studie an der Brown University, die den veränderten Schlafrhythmus von Jugendlichen feststellte.
2002 stellen NeurologInnen der Northwestern University fest, dass Jugendliche durch den frühen Schulbeginn unter chronischem Schlafmangel leiden.
2007 berichtet der Spiegel, dass SchlafforscherInnen den frühen Schulbeginn für eine Tortur halten.
2008 fordert das Schlafmedizinische Zentrum der Uni Regensburg, dass die Schule erst um 9 Uhr beginnen sollte.
2011 bestätigt die Ludwig-Maximilians-Universität in München: Jugendliche vor 9:00 Uhr oder 9:30 Uhr zu unterrichten, sei ziemlich kontraproduktiv.
Die Liste ließe sich bis heute noch endlos fortsetzen – die Erkenntnisse wiederholen sich immer wieder, was zeigt, dass sie stimmen.
Es ist mittlerweile eine anerkannte Tatsache, dass das Gehirn von Jugendlichen durch die hormonelle Umstellung quasi noch einmal neu verkabelt wird. Dadurch setzt die Produktion des Schlafhormons Melatonin später ein, wodurch sich der Schlafrhythmus nach hinten verschiebt.
Eine weitere wissenschaftliche Tatsache ist allerdings auch, dass die viele Zeit, die wir am Abend vor den Bildschirmen verbringen, zu Einschlafschwierigkeiten führt. Das liegt daran, dass der hohe Blaulichtanteil und die ständige Anspannung für einen Anstieg des Stresshormons Cortisol sorgen. Es ist also ein Irrglaube, dass wir durch das stundenlange Scrollen auf TikTok nach einem langen Tag besser abschalten können. Das gute, alte Buch zum Einschlafen wäre also die viel bessere Alternative.
Und welche Konsequenzen hat Deutschland und auch Österreich aus all diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen gezogen? Gar keine. Die Schule beginnt nach wie vor um 8:00 Uhr und keine Sekunde später.
Dabei wäre es doch eigentliche ganz einfach. Chronobiologen der Charité, einem renommierten Krankenhaus in Berlin, schlagen vor: Der Schulbeginn sollte altersabhängig unterschiedlich gestaltet werden. Konkret würde das also bedeuten: Die Unterstufe beginnt wie gewohnt um 8:00 Uhr, ältere SchülerInnen in der Oberstufe beginnen erst um 9:00 Uhr und Schularbeiten werden erst ab 10:00 Uhr angesetzt.
Wenn man jetzt noch weiß, dass der Schulbeginn in Österreich schulautonom festgelegt werden kann, frage ich mich, warum wir uns nach wie vor jeden Morgen, Tag für Tag, diese Tortur antun müssen?
Die Eltern argumentieren häufig, dass ein späterer Schulbeginn zu Betreuungsproblemen in der Früh führen würde. Ich denke jedoch, dass dies gar nicht der Fall wäre, denn die SchülerInnen der Oberstufe werden ohnehin für gewöhnlich nicht mehr von der Mami in die Schule chauffiert.
Und ganz nebenbei würde ein gestaffelter Schulstart auch die Rush-Hour in den Öffis um einiges entspannen.
Natürlich ist es eine Milchmädchen- und gegendert auch Milchbuben-Rechnung, dass die Schule auch später endet, wenn sie später beginnt. Das ist aber, wie wir bereits wissen, zumindest schlaftechnisch kein Problem, weil wir ohnehin vor Mitternacht noch nicht müde sind.
Auch für die LehrerInnen würde sich dadurch möglicherweise eine Verschiebung des Stundenplans ergeben. Wenn aber Gesundheitspsychologen sagen, dass sich ein 16-Jähriger um 8:00 Uhr in der Früh, genauso kaputt fühlt wie ein 45-Jähriger um 4:00 Uhr in der Nacht, dann denke ich, dass das jedenfalls gerechtfertigt wäre, denn um diese Uhrzeit würde wahrscheinlich auch kaum ein Lehrer unterrichten wollen.
Die einzige Challenge bietet sich für die Ersteller der Stundenpläne, aber ich bin überzeugt und zuversichtlich, dass unser Administrationsteam diese Herausforderung meistern kann.
Was können wir Schülerinnen und Schüler jetzt also tun?
Entscheidungen dieser Art werden im Schulgemeinschaftsausschuss getroffen, dem sogenannten SGA, indem auch wir SchülerInnen eine Stimme haben. Dort müssen wir dieses Thema also endlich auf die Tagesordnung bringen und uns dafür einsetzen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem vorigen Jahrtausend endlich in die Schulgegenwart Einzug halten!
In diesem Sinne, hoffe ich auf Eure Unterstützung und bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit!
Paula Molva 6A